Die Einführung des Märzenbieres, die Architektur der Festhallen, die Verjüngung des Wiesnpublikums in den Bierzelten und die weltbekannte Anzapf-Zeremonie – das sind Errungenschaften, die der Familie Schottenhamel zu verdanken sind. Eineinhalb Jahrhunderte ist sie nun schon auf dem Oktoberfest – anfangs mit einer Bierbude und bis heute mit der traditionsreichen Schottenhamel-Festhalle.
Die Münchner Familie Schottenhamel ist seit 150 Jahren untrennbar mit der Wiesn verbunden. Begonnen hat alles mit einem Schreinergesellen, der auf der Walz war und in München hängengeblieben ist. Der Oberpfälzer Michael Schottenhamel heiratete 1867 die Köchin Rosalie Daller und pachtet eine Gaststätte. Im gleichen Jahr steht er schon mit einer Bierbude für 50 Personen auf der Theresienwiese.
Einführung des Märzenbieres
Fünf Jahre später war es dann dem heißen Sommer zu verdanken, dass er das stärker eingebraute Märzenbier auf dem Volksfest eingeführt hat. Die übermäßige Hitze hatte den Bierverbrauch in die Höhe getrieben und die Vorräte vom Franziskaner-Leistbräu waren schnell aufgebraucht. Der Sohn vom Brauereibesitzer konnte weiterhelfen. Dieser hatte in Wien gelernt, wie man Märzenbier braut. Es war stärker eingesotten und drei Kreuzer teurer als das Lagerbier. Die Obrigkeit hatte aber Angst vor einem neuen Bierkrawall in der Stadt und hat – damals schon – auf die Bierpreisbremse getreten. Michael I. überzeugte mit dem Argument: „Wenn’s d‘ Münchner was Richtig’s kriag’n, na schaug’n sie’s Geld net an.“ Schließlich durfte er das Märzenbier doch verkaufen. Es entwickelte sich sogar zum absoluten Renner, denn offensichtlich wussten die Gäste Qualität tatsächlich zu schätzen. Das typische Oktoberfestbier hatte seinen Siegeszug angetreten.
Albert Einstein als Elektriker im Schottenhamel
Mit dem Brand einer Weinbude im Jahr 1887 wurden von der Feuerpolizei Petroleumlampen aus den Zelten verbannt. Michael I. reagiert als Erster und hat im Zelt elektrische Bogenlampen von der „Elektrotechnischen Fabrik J. Einstein & Cie.“ installieren lassen. In diesem Betrieb seines Onkels und seines Vaters jobbte der 17-jährige Albert Einstein. Um sich als Schüler etwas dazu zu verdienen, hat der spätere Nobelpreisträger mitgeholfen, im Schottenhamel die Leitungen zu verlegen und die Lampen zu installieren.
1896 übernimmt Michael Schottenhamel vom „Schützen-Wirth“ in Pacht eine Festhalle mit 1.500 Plätzen an der Stelle, wo auch heute noch die Schottenhamel-Festhalle steht. Damals wurde für die weiblichen Bedienungen die typische Kaffehaus-Kleidung mit schwarz-weißer Schürze und weißer Haube eingeführt, die sie heute noch tragen. Zwei Jahre später übergibt er an seinen Sohn, Michael II. Dieser eröffnet dann 1908 eine neue Festhalle mit 8.000 Plätzen, die nach dem ersten Weltkrieg auf 15.000 Plätze erweitert wird.
In der Wirtschaftskrise in den 1930-er Jahren steht das Oktoberfest vor dem Aus. Eine Brauerei nach der anderen sagt ab, nachdem sie das Platzgeld nicht aufbringen wollten. Michael II. geht das Risiko ohne die Investition einer Brauerei im Rücken ein und hält durch. Nach dem 2. Weltkrieg schenken die Schottenhamels für vier Jahre Hofbräu-Bier aus, weil der Spaten-Franziskaner-Leistbräu wegen der Kriegsschäden nicht liefern konnte. Hofbräu München hatte in der Vergangenheit nie eine Zulassung bekommen. Somit verhilft der Wiesnwirt der Staatsbrauerei, dass sie fortan auf der Wiesn vertreten ist.
„O’zapft is“ – eine neue Tradition wird begründet
So sind 1950 bei der ersten Anzapf-Zeremonie mit Oberbürgermeister Thomas Wimmer Hofbräu-Krüge auf den Fotos zu sehen, denn die Rückkehr zu Spaten-Franziskaner wurde erst im folgenden Jahr vollzogen. In der Familien-Chronik „Festhalle Schottenhamel – 150 Jahre Oktoberfest-Geschichte“ verweist Autor Amadeus Danesitz übrigens die Geschichte mit dem spontanen Entschluss des OB zum ersten Anzapfen in das Reich der Fabeln. Danach soll Michael II. den „Wimmer-Dammerl“ beim Wirte-Einzug gefragt haben, ob er zu ihm ins Zelt mitkommen wolle, um anzuzapfen. Richtig sei hingegen, dass die Zeremonie schon vorher in Münchner Zeitungen angekündigt worden war. Verbrieft ist auch, dass Wimmer in den ersten Jahren bis zu 19 Schläge benötigt hat, bevor das Bier endlich geflossen ist.
Der Bayerische Rundfunk war mit einem Hörfunk-Reporter übrigens schon von Anfang an live dabei. Weltberühmt wurde das Anzapfen um 12 Uhr aber erst, seitdem es das Bayerische Fernsehen erstmals 1984 in die Welt sendet. Bereits seit 1952 ist es nun schon Tradition, dass beim Einzug der Wiesnwirte der Oberbürgermeister in jedem Jahr in der Schottenhamel-Kutsche mitfährt.
Ein Kapellmeister löst Verjüngungskur aus
1988 übernimmt Peter Schottenhamel zusammen mit seinem Cousin Christian die Festhalle. Letzter war gerade einmal 25 Jahre alt, als er Wiesnwirt geworden ist. Vor allem er hat viel junges Publikum ins Zelt gezogen. Aber die Verjüngungskur in der Alterspyramide war vor allem auch darin begründet, dass der Kapellmeister Otto Schwarzfischer neben der Blasmusik auch mehr moderne Musik in Repertoire aufgenommen hat. So war von da an immer mehr das Schild „Wegen Überfüllung geschlossen“ am Zelteingang zu sehen. Manchmal soll der Andrang so riesig gewesen sein, dass Besucher sogar versucht haben sollen, über das Zeltdach ins Innere zu gelangen. In der Familienchronik ist zu lesen, dass an einem Samstag sogar zwei Hundertschaften Polizei das Festzelt abriegeln mussten, um die Menschenmassen daran zu hindern, es zu stürmen.
Robert Allmeier
(Erscheint auch in „München alte & neue G’schichtn„, Heft 12, im November 2017)
Das Buch mit der Familienchronik
„Festhalle Schottenhamel – 150 Jahre Oktoberfest-Geschichte“
erschienen im September 2017 im München-Verlag, ISBN 978-3-7630-4048-3, zum Preis von 29,90 Euro.
– Werbung –
Zum 150. Jubiläum Festhalle Schottenhamel auf dem Oktoberfest findet noch bis Februar 2018 im Bier- und Oktoberfestmuseum in München eine Sonderausstellung statt.
Bier- und Oktoberfestmuseum
Sterneckerstraße 2
80331 München
Tel. 089 24 23 16 07
info@buom.de
Öffnungszeiten:
Di – Sa 13 – 18 Uhr
(für Gruppen bis 19 Uhr nach Voranmeldung)
Feiertags geschlossen
Interview mit dem Autor Amadeus Danesitz zum Buch „Festhalle Schottenhamel – 150 Jahre Oktoberfest-Geschichte
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